Lettland: Zypriotische Laiki-Bank kommt nach Riga
01.04.2013
Zyperns derzeit bekannteste Pleitebank hat lettische Wurzeln. Im Jahre 1940 flüchtete der kurländische Bankier Marks Naudi?š vor der Roten Armee auf die Mittelmeerinsel, die damals noch britische Kronkolonie war. Dort gründete er die Laiki-Bank. Unter lettischer Führung erwies sich das Kreditinstitut als solider Partner für Finanzgeschäfte, von der die britischen Statthalter und die Inselbewohner gleichermaßen profitierten. Naudi?š finanzierte im Jahr 1952 die erste Eisenbahnlinie von Nikosia zur Hafenstadt Limassol, fünf Jahre später die ersten Flugzeuge der Cyprus Air. Zahlreichen Unternehmern half er bei der Existenzgründung. Ob Besitzer von Bananenplantagen, Grapefruithainen oder Schiffswerften: Viele erlangten mit unermüdlichem Fleiß und Krediten der Laiki-Bank den verdienten Wohlstand. Doch Naudi?š, ein Bankier alter Schule, der stets bei Zinsforderungen Maß hielt und seine Kunden immer vor zu waghalsigen Finanzierungen gewarnt hatte, vernahm alsbald die verhängnisvollen Töne des Bocksgesangs. Er hatte nämlich tragischerweise und vollkommen ahnungslos den Asbestabbau auf der Insel finanziert. Als er in den 70er Jahren dessen tödliche Folgen erkannte, veräußerte er die Laiki-Bank an eine exilrussische Investorengruppe und spendete den Erlös dem Kloster Kykkos, in dessen Einsiedlerzelle er bis zu seinem Tod im Jahr 1979 verharrte. Inzwischen ist die Laiki-Bank als Geldhaus russischer Oligarchen in Verruf geraten. „Laiki“ bedeutet auf Lettisch „Zeiten“ - und diese haben sich gewaltig geändert. Feodor Sorokin weilt gerade in London. Der heutige zyprorussische Mehrheitsaktionär der Bank kündigte dort vor Journalisten am 30.3.13 den Umzug an. Der Laiki-Hauptsitz soll von Nikosia nach Riga verlegt werden. Er begründete ausführlich, warum dieser Schritt im Sinne des lettischen Gemeinwohls erfolgt. Derweil warnte die Europäische Zentralbank die lettische Regierung, zypriotisches Geld ins Land zu lassen. Dies könne Lettlands Aufnahme in die Währungsunion gefährden.
Britischer Briefkasten in Zypern erinnert an die Kolonialzeit des Landes, auch heutzutage unterhält der mediterrane Inselstaat gute Drähte zum Königreich, Foto: Christos auf Wikimedia Commons, Lizenz
Laiki-Geld schafft Entwicklung und Wohlstand
Sorokin zeigte Bedauern, dass den Zyprioten nur die „Bad Bank“ seines Geldimperiums verbleibt. „Ich liebe das Land und seine Bewohner,“ meinte der sowjetische Exilbürger, der inzwischen die Staatsbürgerschaft des Inselstaates angenommen hat. Doch will er Zypern nun „für immer“ verlassen. Zur Sowjetzeit sei er vor den Kommunisten geflohen. Nun schaue er sich nach einer Villa in der Nähe Rigas um. Die Schuld an der Misere lastet er der EU und ihren „unsinnigen Aktionen“ an: Der Schuldenschnitt für Griechenland habe für seine Bank Millionenverluste zur Folge. „Wir hätten uns mit den Griechen schon auf längere Tilgungsfristen geeinigt, warum mischt sich die Politik ständig ein?“ klagt der 72jährige, der seine Business-Karriere mit Zigarettenhandel begann. Er bekennt, über „politisch befreundete Kreise gerade noch rechtzeitig” über die neuesten „Brüsseler Chaosentscheidungen“ informiert worden zu sein. Nur wenige Stunden seien ihm und seinen Angestellten geblieben, um das Geld der wichtigsten Anleger vor der EU-Zwangsabgabe zu retten. „Glücklicherweise benötigt man heutzutage nur ein paar Klicks, um Millionen von Nikosia nach London umzubuchen.“ Die Bank unterhält neben ihren 126 Zweigstellen auf der Insel noch 190 Niederlassungen in Russland, 44 in der Ukraine, 10 in Rumänien, vier in Großbritannien und eine auf den Kanalinseln. Nur die zypriotischen Filialen werden geschlossen, dafür sollen jetzt lettische Niederlassungen samt neuer Laiki-Zentrale hinzukommen. „Die Heimat Naudi?š` ist der geeignete Ort für unsere seriösen Geschäfte.“ Dass das Geld „sogenannter Oligarchen“ aus Korruption und Steuerhinterziehung stamme und nur für schädliche internationale Spekulationen in Börsencasinos verjubelt werde, bezeichnete der Noch-Zyprorusse als üble populistische Verleumdung. „Tatsächlich ist es unser Geld, das Entwicklung und Wohlstand ermöglicht.“ Da gebe es gerade in Lettland viel zu finanzieren: „Warum produzieren die Letten keine Kleinbusse mehr, keine Kameras, Radios und Flugzeuge? Ja, selbst die Porzellanfabrik in ?engarags steht leer.” Sorokin beantwortete sich diese Frage vor den Journalisten selbst: „Weil westliche Konzerne die lettischen Märkte okkupierten und der einheimischen Industrie in den 90er Jahren das Kapital fehlte, um erfolgreich zu konkurrieren.“ Russisches Geld könne Lettland fördern, die Arbeitslosigkeit verringern und die Produktivität erhöhen. Er verhandele schon, um demnächst die Neugründung von R?gas Auto Fabrika (RAF) in die Wege zu leiten. Nur auf diesem Weg könne das "liebliche Land am Meerbusen" zu einer ausgeglichenen Handelsbilanz kommen. „Gewiss werde ich Lettisch lernen und mich um die lettische Staatsbürgerschaft bemühen,“ versicherte Sorokin am Schluss seiner Pressekonferenz.
Die provisorische Zentrale der Laiki-Bank in Riga-Ziepniekkalns, das Logo des Kreditinstituts wurde bereits lettifiziert, Foto: LP
Frankfurter Belehrungen
Sorokins Umzug sorgt für internationale Spannungen. Bereits vier Tage vor seiner Londoner Erklärung hatte die EZB die lettische Regierung gewarnt. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr von den undiplomatischen Worten, die in Lettland für Schlagzeilen sorgten: „Unseren lettischen Freunden wurde klar gesagt,“ so die Frankfurter Zentralbanker: „falls ihr wünscht, Mitglied der Eurozone zu werden, dann dürft ihr russischem Geld, das aus Zypern abfließt, kein Asyl gewähren.“ Die lettische Regierung zeigt sich unbeeindruckt. „Wir sind ein Land mit liberaler Verfassung. Wir haben in den letzten Jahren viel in eine verbesserte Bankenaufsicht investiert. Ausgerechnet von Euro-Bankern benötigen wir keine Belehrungen,“ entgegnete Regierungssprecher Druvvaldis Ozols im lettischen Radio leicht gereizt. „Noch ist überhaupt nicht klar, ob wir Letten wirklich um den Beitritt zur Eurozone bitten müssen oder nicht schon bald die Zeit kommt, dass wir inständigst zum Beitritt gebeten werden.“
(Dieser LP-Artikel wurde am 1.4.13 veröffentlicht)
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