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Bau der Rail Baltica verzögert sich und sie wird teurer als geplant
22.03.2019


Finnen und Chinesen möchten zwischen Tallinn und Helsinki Tunnel unter der Ostsee bauen

Gleise des Rigaer HbfEine Zugfahrt von Berlin bis Riga gehört zu den letzten wahrhaftigen Reiseabenteuern in Europa (LP: hier). Dem Passagier werden stundenlanger Radwechsel an der polnisch-weißrussischen Grenze und danach ein gemächliches Schaukeln im Postkutschentempo geboten. Zwei Tage und Nächte sollte er für diese Entschleunigungstherapie schon einplanen, mit einem Reisebus wäre er doppelt so schnell und jene, die ökologische Bedenken für Spinnerei halten, werden weiterhin unbekümmert das Flugzeug benutzen, das keine zwei Stunden für diese Distanz benötigt. Die ökologisch sinnvolle Alternative, die auch zeitlich attraktiv wäre, lässt weiter auf sich warten: Der Bau der 870 Kilometer langen Rail Baltica, der Schnellbahntrasse, die die baltischen Hauptstädte mit Warschau und Berlin verbinden soll, verzögert sich um 2,5 Jahre. Das teilte Verkehrsminister Talis Linkaits Lsm-Journalisten mit.

Von Rigas Hauptbahnhof sollen zukünftig schnelle Passagierzüge gen Westen fahren, Foto: Karl Brodowsky - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

 

Lettland hinkt in den Planungen hinterher

Eigentlich sollten die Bauarbeiter im nächsten Jahr mit dem Gleisbau beginnen. Geplant war, dass ab 2026 zwischen Tallinn, Riga und Kaunas die ersten Expresszüge auf westeuropäischer Spurbreite rollen, ab 2030 sollten sie auch Warschau erreichen, auf neuen Strecken, die Geschwindigkeiten bis zu 240 Stundenkilometern ermöglichen. Von Riga aus wäre Vilnius dann in knapp zwei Stunden anzusteuern, Warschau in fünf. Zudem benötigte man mit der Rail Baltica nur zehn Minuten, um vom Hauptbahnhof der lettischen Hauptstadt zum „Riga Airport“ zu fahren. Von Tallinn und Vilnius aus sind Nachtzüge geplant, die bis Berlin verkehren. Linkaits, der erst seit ein paar Wochen im Amt ist, zeigt sich überrascht, dass Lettland in den Planungen hinterherhinkt. Auch die Finanzierung sei nicht geklärt (lsm.lv).

 

Unvorhergesehene „Extras“

„Es ist offensichtlich, dass mit dem Geld, das die EU zugewiesen hat, wir nicht großartig bauen können. Das heißt, dass für alle Bauobjekte auf lettischem Territorium das Geld derzeit nicht reicht. Wir sehen, dass mit der Projektentwicklung die Ansprüche und damit die Kosten steigen. Und wir sehen, dass das, was zunächst 10 Euro kostete, nun 15 Euro und mehr kostet. Auch der Bauboom hat seine Wirkung,“ meint der Minister. Er weist auf „Extras“ hin, mit denen am Planungsbeginn offenbar nicht gerechnet wurde: Übergänge für Wildtiere, Über- und Unterführungen, Gleisanschlüsse, Nebenstrecken... Dabei müsste die Regierung für das 263 Kilometer lange Teilstück, das über lettisches Territorium führt, nur 15 Prozent der Kosten aufbringen. Den Rest wird die EU finanzieren, bislang wurden die Kosten der Gesamtstrecke von Tallinn bis zur polnischen Grenze auf fünf bis sechs Milliarden Euro geschätzt.

 

„Betrüblichstes Beispiel für Missmanagement“

Doch nicht nur Finanzierungsfragen, auch Uneinigkeit zwischen den beteiligten Ländern tragen zu den Verzögerungen bei. Baiba Rubesa, bis September Vorstandsvorsitzende des baltischen Gemeinschaftsunternehmens „RB Rail“, das mit dem Bau der Schnellbahnstrecke beauftragt ist, warf aus Frustration das Handtuch. Sie machte in ihrer Rücktrittserklärung den beteiligten Ländern schwere Vorwürfe (lsm.lv). Alle drei seien nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig Beschlüsse zu fassen. Wegen des Verhaltens und der Entscheidungen des RB-Rail-Aufsichtsrates teile sie die Besorgnis der estnischen, lettischen und litauischen Bürgerinnen und Bürger, dass das globale Projekt Rail Baltica nicht verwirklicht werde. Sie beklagte massive Unstimmigkeiten zwischen den nationalen Anteilseignern. „Für mich ist es vermutlich das betrüblichste Beispiel für Missmanagement in der Governance-Geschichte des öffentlichen Sektors und ich appelliere an die Überwachungsinstitutionen aller drei Staaten, sich dieses System ganz genau anzuschauen.“ Sie kritisierte u.a. Linkaits` Vorgänger im Amt, die sich um die Rail Baltica kaum geschert hätten. Die in Kanada geborene lettische Managerin empfiehlt mehr Mitspracherecht für die EU als wichtigsten Geldgeber, dessen Erwartungen und Empfehlungen würden von den nationalen Nutznießern kaum beachtet. Die Äußerungen der Politiker zur Rail Baltica seien Lippenbekenntnisse.


Finnland will sich dank Klimaerwärmung nun auch beteiligen

Die Lsm-Redaktion berichtete am 9. März 2019, dass nun ausgerechnet das unwahrscheinlichste Vorhaben der Rail Baltica Wirklichkeit werden könnte (lsm.lv). Nachdem die Finnen im Februar verlautbarten, sich am Projekt beteiligen zu wollen, steigt nun ein kapitalkräftiger Investor ein, um den etwa 80 Kilometer langen Unterwassertunnel zwischen Helsinki und Tallinn zu bauen (lsm.lv). Die chinesische Touchstone Capital Partners unterzeichnete mit der finnischen FinEst Bay Area Development eine Absichtserklärung. Demnach sind die Chinesen bereit, 15 Milliarden Euro zu investieren, um Finnland an die Neue Seidenstraße anzuschließen. Die Finnen werden Mehrheitseigner am dann längsten Unterwassertunnel der Welt sein und sie appellieren an weitere Investoren, sich ebenfalls zu beteiligen. Eisenbahntechnisch befindet sich das Land in einer Insellage, das bislang Ware per Schiff oder Lkw über die Grenze transportiert. Der Anschluss an die Rail Baltica bietet aber nicht nur Verbindung zum westeuropäischen Schienennetz, die Finnen spekulieren auch über recht spezielle Vorteile der Klimaerwärmung: Zukünftig könnte die Barentsee nördlich von Skandinavien auch im Winter eisfrei bleiben, so dass sich Transporte zum norwegischen Hafen in Kirkenes rechnen könnten. Kirkenes könnte sich zum Umschlaghafen der arktischen Nordostpassage entwickeln, die für den Frachtverkehr zwischen Europa und Asien genutzt werden soll. Doch was geschieht, wenn das finnisch-chinesische Jahrhundertprojekt eher fertiggestellt wäre als die baltische Schnellbahn? Dann könnte es den armen Finnen ähnlich ergehen wie den armen Schweizern mit ihrem prächtigen Gotthard-Basis-Tunnel, der bislang nicht effizient genutzt werden kann, weil die Deutsche Bahn AG die Zubringertrassen nicht rechtzeitig fertigstellte (zdf.de).

 

Rail Baltica für militärische Logistik

Von russischer Seite wird die Wirtschaftlichkeit einer baltischen Schnellbahn bezweifelt. Unter dem reißerischen Titel „Panzer rollen schneller: Macht RAIL BALTICA den Weg frei für Russland-Krieg 2026?“ zitiert das Webportal Sputnik Jewgeni Lukjanow, den russischen Botschafter in Riga (sputniknews.com). Seiner Ansicht nach ist die Rail Baltica „eine Maßnahme zum Aufbau von Militärinfrastruktur“. „Zum Schutz gegen das aggressive Russland,“ bemerkt der Diplomat ironisch, kämen auf der Schnelltrasse „Panzer dann schneller angerollt“. Die Webseite zitiert zudem Ignas Degutis, ein Vorstandsmitglied der RB Rail. Seiner Ansicht nach unterstützten Politiker das Projekt zunehmend, weil es als „Objekt der Militärmobilität“ innerhalb der EU betrachtet werde. Dass mit der Fertigstellung der Rail-Baltica im Jahr 2026 der Krieg ausbrechen könnte, mutmaßt ein Militärexperte namens Konstantin Siwkow. Er ist der Auffassung, dass Washington derzeit die Möglichkeit prüfe, „Russland in sogenannten Kleinkriegen zu schlagen“ und dass sich für solche Pläne die baltischen Territorien anböten. „Wenn Litauen, Lettland und Estland zum Schauplatz eines Atomkrieges werden wollen, dann ist das ihre Wahl,“ droht Siwkow. Doch 2026 könnte dieser Krieg noch gar nicht stattfinden, denn die Rail Baltica wird nach bisheriger Planung erst 2030 an das westeuropäische Schienennetz angeschlossen, falls das hinterlistige baltische Missmanagement die Kriegspläne des US-Pentagons nicht noch länger torpediert. Die militärische Nutzung der Rail Baltica entspricht der NATO-Forderung an die EU, für Kettenfahrzeuge schnellere Transportwege gen Russland zu bauen, um die militärische Präsenz in Osteuropa zu verstärken (lr-online.de).


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