Latvieðu Centrs Minsterç

   

Lettische Parlamentarier verweigern dem Generalstaatsanwalt Janis Maizitis die Wiederwahl
24.04.2010


Eingang zum lettischen Parlament in RigaInnenpolitisch sorgten im April launische Parlamentarier dafür, dass sie weiteres Vertrauen bei den Wählern einbüßen. Am 15.4. stand die dritte Amtsperiode des Generalstaatsanwalts J?nis Maiz?tis zur Debatte. Das Ergebnis der geheimen Abstimmung in der Saeima überraschte und empörte die Journalisten und Bürger: Zuvor hatte sich die Mehrheit der Volksvertreter für eine Wahl Maiz?tis` ausgesprochen, doch dann entschieden sich nur 45 für ihn und 47 Abgeordnete gegen ihn. Nun stellten sich manche Beobachter die Frage, ob man Parlamentarier unter Druck setzen darf und ob Behauptungen in der Art von `Unsere Fraktion wird sich für Maiz?tis entscheiden` sich mit Gewissensfreiheit und geheimer Abstimmung vereinbaren lassen.
Die lettischen Wähler begegnen den Abgeordneten dieses Hauses häufig mit Skepsis, Foto: UB

 

So sieht es auch der Saeima-Vorsitzende Gundars Daudze, der nicht glaubt, dass das Abstimmungsergebnis das Ansehen seines Hauses gefährdet. Gegenüber der Nachrichtensendung des Privatsenders LNT äußerte er nach der nicht erfolgten Wahl: “Nur zwei in der Saeima vertretenen politischen Kräfte erklärten offen, dass sie die Unterstützung für Maiz?tis nicht garantieren – ZZS (Za?o un zemnieku savien?bas/ Vereinigung der Grünen und der Bauern) und LPP/LC, Latvijas Pirm? Partija/Latvijas Ce?š – Lettlands Erste Partei/Lettlands Weg) welche zusammen nur 27 Stimmen haben. Ich denke, dass wir hier nicht vom Ansehen der Saeima, sondern vom Ansehen der in der Saeima vertretenen politischen Kräfte sprechen sollten, welche das Versprechen abgaben, einheitlich für Herrn Maiz?tis zu stimmen, doch dieses nicht erfüllten.”

Saeima-Vorsitzender Gundars Daudze

Daudze rechtfertigt die Parlamentarier. Doch war ihr Votum gegen den Generalstaatsanwalt tatsächlich eine Gewissensentscheidung oder die Wahrung persönlicher Interessen? Foto: www.daudze.lv

 

Daudze erinnerte an das Recht der Abgeordneten, bei einer geheimen Abstimmung ihre Entscheidung nicht offenzulegen und dass sie völlig unabhängig seien. Das Parlament sei schließlich keine Behörde, in der es einen Direktor gebe, dem sich alle zu fügen hätten. Er fügte hinzu, dass es beträchtlichen öffentlichen Druck gegeben habe, Maiz?tis im Amt zu bestätigen. Außerdem sei zuvor der Auftritt des Generalstaatsanwalts in der Sendung des TV-Journalisten J?nis Domburs sehr fragwürdig gewesen.

Daudze erinnerte jene, die nun eine Wahlwiederholung mit namentlicher Abstimmung fordern, an sowjetische Zeiten: “Glückliche 20 Jahre sind seitdem vergangen, als man noch freundschaftlich die Hand hob und wir einstimmig für alle dargebotenen Kandidaten stimmten, der gewöhnlich nur einer war. Auf jeden Fall muss die Abstimmung zur Bestätigung einer Amtsperson geheim sein. Jene, die etwas anderes wollen, handeln einfach populistisch.”

Damit stellt sich der Parlamentsvorsitzende der Position der früheren Staatspräsidentin Vaira V??e-Freiberga und weiterer Bürger entgegen, die eine Wahlwiederholung mit offener Abstimmung fordern.

Die Fraktion, der Daudze angehört, die ZZS, lässt zweifeln, ob alle Abgeordneten ihrem Gewissen folgten. Maiz?tis ermittelt gegen Parlamentarier, die im Verdacht stehen, illegal Gelder des Oligarchen Aivars Lembergs zu beziehen. Namen sind allerdings bis heute nicht bekannt. Die Beziehungen der ZZS zum Bürgermeister von Ventspils gelten als besonders eng. So wundert es nicht, dass die Bauernpartei es ihren Parlamentariern erlaubte, sich gegen den Kandidaten zu entscheiden. Da fragt man sich, was demokratische Gewaltenteilung und -kontrolle wert sind, wenn im Ernstfall Parlamentarier einen eventuellen Ankläger abwählen können.

Doch auch Parlamentarier anderer Fraktionen stimmten gegen Maiz?tis. Die Letten bezichtigen diese Politiker nun der Lüge. Der Abgeordnete der Tautas partija (TP), J?nis Lagzdi?š, nahm diese Abstimmung zum Anlass, aus der Partei auszutreten. Gegenüber der neu gegründeten Wochenzeitschrift Ir äußerte er sich in der Ausgabe vom 22.4. verbittert über die Entwicklung der TP, die vom Oligarchen Andris Š??le beherrscht wird. Auf die Frage, in welcher Weise die TP das negative Abstimmungsergebnis beeinflusst habe, antwortete Lagzdi?š: “Zunächst unterstützte die TP, leider auch ich, die Abstimmung mit Wahlzetteln. Das war das erste Mal im Parlament, dass ich mich absolut betrogen fühlte. Betrogen und getäuscht. Als Politiker und als Mensch. Alles das, was die TP tat, was die TP-Spitzen äußerten und öffentlich und im engeren Kreis der Fraktion über Maiz?tis` Kandidatur verlautbarten, ließ nicht den geringsten Zweifel, dass die TP ihn unterstützen würde. Alle sonstigen Anzeichen bezeugten, dass ein zweifelhafter Beschluss nicht geschehen konnte. Herr Maiz?tis ist in der Vorstellung vieler Menschen seinem Wesen nach jener Kandidat, der, wie mir scheint, für die selbigen Oligarchen gar nicht so schädlich ist. Herr Maiz?tis ist sehr behutsam, sehr umsichtig, absolut apolitisch, im Unterschied zu Loskutovs beispielsweise, welcher als Leiter (der Antikorruptionsbehörde) KNAB seine eigene politische Einstellung hatte und diese auch äußerte.”

Nach der Abstimmung habe die Partei ihm, Lagzdi?š, Antworten vorenthalten. Statt dessen habe man sich darauf berufen, dass die Abstimmung frei gewesen sei. “Wir Abgeordneten, so handelnd, haben den Eindruck hervorgerufen, dass wir gelogen haben, und das in einer so wesentlichen Frage!”

Auch das linke Parteienbündnis SC (Saska?as Centrs/ Zentrum der Eintracht) wollte die Wiederwahl des Generalstaatsanwalts nicht garantieren. Lagzdi?š wittert darin den Versuch, die Mitte-Rechts-Parteien des Landes zu spalten. Für das SC sei die Kooperation mit der TP sehr vorteilhaft, denn die Nichtwiederwahl und das zweideutige und heuchlerische Verhalten der rechten Parteien stellten diese in den Augen ihrer Wähler bloß. Anderereseits sei es SC-Anhängern egal, wie ihr linkes Bündnis in dieser Frage agiere, weil sie für jene nicht aktuell sei.

Diese Einschätzung des politischen Gegners und ihrer Wähler darf man bezweifeln. Unstrittig ist aber, dass sich Lettlands Parteien vor der Wahl im Herbst wieder einmal neu sortieren und nun auch das SC in Koalitionserwägungen einbeziehen. Neue Abkürzungsungetüme mit Schrägstrichen entstehen gerade, denn Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde fürchten, bilden Wahllisten mit anderen. So hat es der lettische Wähler schwer, ungeliebte Spitzenpolitiker endgültig aus dem Parlament zu befördern. Und so wirkt V??e-Freibergas Empörung über das Verhalten der Volksvertreter wie ein Ausdruck der lettischen Ohnmacht. Der Nachrichtenagentur LETA sagte sie am 15.4.: “Diese Abstimmung überrascht mich leider nicht und sie war völlig vorhersehbar. Vielleicht überrascht allein die Frechheit, mit welcher einige Parteien sich heuchlerisch für die Unterstützung von Maiz?tis` Kandidatur aussprachen, wobei klar zu erwarten war, dass in geheimer Abstimmung ihre Partei `dagegen` stimmen wird.”

Weiterer LP-Artikel zum Thema:

 

Externe Linkhinweise:

lembergs.info.lv: Diena-Artikel vom 20.4.10: Niemand muss sein Stimmverhalten offenlegen (lettisch)

delfi.lv: Vike-Freiberga äußert sich überrascht über die Frechheit der Parteien (lettisch)

lembergs.info: Ir-Interview mit Lagzdins vom 22.4.10 (lettisch)




 
      Atpakaï