Lettische Geiseln in der sudanesischen Katastrophenregion Darfur
10.11.2010
Die Nachricht erreichte in der Nacht zum 5.11.2010 das lettische Außenministerium: Drei Letten, die im Kleinbus durch die sudanesische Stadt Nyala unterwegs waren, sind als Geiseln genommen worden. Sie sind Angestellte der lettischen Firma GM Helicopters. Die beiden Hubschrauberpiloten und der Mechaniker arbeiten im Auftrag des lettischen Landwirtschaftsministeriums für das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen (UN). Die lettischen Medien haben bislang keine Informationen über die Geiselnehmer. Die drei Letten wurden in Süddarfur überfallen. Morde, Vergewaltigungen, Plünderungen und Hunger gehören nach wie vor zum Alltag dieser Katastrophenregion, in der UN-Helfer stets mit Entführungen rechnen müssen.
Dieser olivgrüne Hubschrauber gehört dem sudanesischen Militär und wird für Angriffe gegen die Bevölkerung in Darfur verwendet. UN-Hubschrauber, wie sie die lettischen Helfer fliegen, sind dagegen weiß. Foto: Wikimedia Commons
Lettische Regierung will kein Lösegeld zahlen
Die lettischen Diplomaten bildeten einen Krisenstab, haben Kontakte zur sudanesischen Regierung über das UN-Hauptquartier in New York und vertrauen der Erfahrung und dem Verhandlungsgeschick der UN-Mitarbeiter vor Ort. Außerdem baten sie den Chef des Sicherheitsdienstes des WFP, Mick Lorentzen, nach Riga zu kommen. Der Staatssekretär des Außenministeriums, Andris Teikmanis, sagte am letzten Dienstag den Journalisten, dass seine Regierung nicht bereit sei, Lösegeld zu zahlen.
Ein Flüchtlingslager in der Krisenregion, Foto: Mark Knobil auf Wikimedia Commons
Darfur – Eine Region des Völkermords
Zunächst hatte man die Entführten für Russen gehalten. In diesem Jahr wurden bereits mehrmals russische Piloten in Darfur gefangen genommen. Sie wurden benutzt, um Lösegeld zu erpressen. In der Krisenregion kämpft eine `Volksbefreiungsarmee` gegen die Regierung in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum. Der Bürgerkrieg in der westlichen Provinz des Landes begann 2003, als die sudanesische Regierung versuchte, die dortige Rebellenbewegung zu vernichten. Dies führte zu genozidartigen Zuständen. Seit 2008 suchen die Juristen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag den sudanesischen Staatspräsidenten, Generalleutnant Umar Hasan Ahmad al-Baschir, mit Haftbefehl: Er soll sich wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten.
Lebensmittelhilfe im Sudan, Foto: Wikimedia Commons
Krieg als Folge des Klimawandels
Ethnische Konflikte und Politiker, die diese Streitigkeiten für sich nutzen, haben offenbar die katastrophale Lage verschärft. Fernab vom Erdöl bestimmte das Elend der Darfur-Bewohner nur zeitweilig die Schlagzeilen der Weltpresse. Der Bürgerkrieg zwischen Regierung und Rebellen kostete bislang mehr als 200.000 Menschen das Leben. Millionen sind auf der Flucht. Ohne UN-Helfer würden sie verhungern. Aber sind Tod und Elend lediglich das Resultat verbrecherischer Politiker? Die Gewalt in der Region ist eine Folge des Wassermangels. Ethnologen wissen, dass Kriege zwischen Völkern und Stämmen dann entstehen, wenn die Ressourcen nicht mehr zum Überleben aller ausreichen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wies in einem Beitrag für die Washington Post 2007 darauf hin, dass die Gewalt in Darfur eskalierte, als die Regenperiode erstmalig ausblieb. Der zivilisationsbedingte Klimawandel ist nach Ansicht des UN-Chefs die Ursache für Dürre und Gewalt. Demnach kann man es als eine Art `Wiedergutmachung` betrachten, wenn westliche Helfer, unter ihnen auch Letten, ihr Leben riskieren, um Afrikanern das Überleben zu ermöglichen.
Stand: 10.11.10
UB
Externe Linkhinweise:
zurück