Letten mögen grünen Strom am liebsten billig
24.05.2008
Ölpreisrekorde sind ein weltweites Thema. Auch die Letten müssen steigende Benzinpreise und höhere Heizkostenrechnungen hinnehmen. Hinzu kommt die Sorge, zu sehr in die Abhängigkeit des russischen Staatskonzerns Gasprom zu geraten. Die Gas- und Öllieferungen aus Russland sind für die lettische Energieversorgung unverzichtbar. Lettland ist zudem eines der wenigen Länder der EU, das seinen
So würden die Letten ihren Strom am liebsten haben: aus Windturbinen (hier: am Niederrhein). Photo: Wikimedia
Elektrizitätsbedarf nicht vollständig mit eigenen Kraftwerken deckt: die Baltenrepublik ist derzeit insbesondere auf Strom-Lieferungen aus dem alten litauischen Atomkraftwerk in Ignalina angewiesen. Damit wird es aber bald zuende sein. Bedingung für den EU-Beitritt Litauens war nämlich, dass diese Anlage aus Sowjetzeiten Schritt für Schritt vom Netz genommen wird: für Ende 2009 ist die endgültige Abschaltung vorgesehen. Parlament und Öffentlichkeit in Lettland diskutieren nun Pläne zur künftigen Sicherung der Energieversorgung. Bislang haben die Politiker konventionelle Lösungen geboten: ein neues AKW, Kohle- oder Gaskraftwerke. Eine Studie, über die lettische Energie-Politiker am 21. Mai dieses Jahres in Riga diskutierten, zeigt hingegen: die Bevölkerung möchte Strom und Brennstoffe aus erneuerbaren Energien zu günstigem Preis.
Die Tageszeitung Diena resümierte am folgenden Tag die Aussagen der Diskussionsteilnehmer und zitierte dabei Wirtschaftsminister Kaspars Gerhards mit den Worten, die Wünsche der Bevölkerung beruhten auf „irrige“ und „unvereinbare“ Vorstellungen: so glaube man, dass die Versorgung mit „grüner“ Energie besonders billig sei. Zugleich würdigte Gerhards aber das Interesse an einer ökologischen Energieversorgung, die Lettland von Energie-Importen unabhängiger machen könnte. Man müsse in diesem Zusammenhang aber klären, in wieweit der Verbraucher bereit sei, dafür mehr zu zahlen.
Die Befragten bevorzugen vor allem die Windenergie in der Annahme, dies sei die billigste und zugleich umweltfreundlichste Variante, Strom zu produzieren. Der Leiter des Energie-Ressorts im Wirtschaftsministerium, U?is Sarma, bewertete diese Einschätzung recht wohlwollend: “Wenn die Menschen mehr Windenergie wollen, haben wir keine Probleme damit, weiter in diese Richtung zu gehen – bietet noch günstigere Einspeisevergütungen, damit man noch mehr Investoren und Erzeuger dafür gewinnen kann.” Er wies darauf hin, dass der Staat diese Art der Stromproduktion bereits begünstige. Regierungspläne sehen vor, dass bis 2010 Windräder 5,96 Prozent des Stromverbrauchs decken sollen.
AKW Ignalina: 2009 Schluß mit „billigem“ Atomstrom. Photo: Wikimedia
Die Diskussionsrunde zeigte sich überrascht, dass die Menschen über die Kosten „grüner“ Energien nicht informiert seien. Die Vertreter des Ministeriums behaupteten, dass ein neues Atomkraftwerk die preiswerteste Variante darstelle. Doch die Kernenergie stoße auf die größte Skepsis in der Bevölkerung. (Ex-Premier Aigars Kalvitis hatte bereits einige Tage zuvor erklärt, dass es keine Investoren für einen neuen Reaktor gebe). Die zweitbilligste Lösung sei ein Kohlekraftwerk. Windenergie dagegen die teuerste.
Das allgemeine Interesse am Thema ist allerdings eher gering. Nur 10 Prozent der Befragten verfolgen Energie-Debatten aufmerksam, 33 Prozent hin und wieder. Konkrete einzelne Themen wie Preissteigerungen oder Folgen für die Umwelt erzielen noch größere Aufmerksamkeit. Das Interesse an der staatlichen Energiepolitik ist dagegen gering.
Das könnte sich ändern, denn für die Politiker stehen wichtige Entscheidungen an. Eine Frage ist, mit welchen Nachbarländern und europäischen Firmen kooperiert werden könnte. Eine Zusammenarbeit mit Schweden sowie den baltischen Nachbarn sind im Gespräch. Auch der deutsche Energiekonzern E.ON zeigt Interesse, in Lettland zu investieren.
Unter Energie-Experten ist die Frage, welche Art der Energie-Erzeugung die günstigste ist, umstritten. AKW-Gegner weisen darauf hin, dass nur staatliche Subventionen Kernkraft rentabel machen. Langfristig wird es zu erneuerbaren Energien keine Alternative geben. Diese Aspekte kamen in der Diskussion offenbar zu kurz.
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